Abweichungen vom Goldstandard bei dentalen Implantaten

Der Goldstandard in der dentalen Implantologie

Der Goldstandard beschreibt ein Verfahren, das grundsätzlich, in einer bestimmten Art und Weise durchgeführt, unübertroffen ist und die höchste Sicherheit birgt. In der Medizin werden wissenschaftliche Goldstandards definiert, und neu entwickelte Verfahren müssen sich stets mit diesem etablierten Mechanismus messen. Solche Goldstandards werden nicht selten durch neue Methoden abgelöst, wenn sich signifikante Vorteile ergeben.

Im Falle der dentalen Implantologie wurden diese Goldstandards im Jahre 2014 von einigen wichtigen Gesellschaften der Implantologie im deutschsprachigen Raum festgeschrieben. In der Konsensuskonferenz Implantologie wurden Indikationsklassen für Implantatversorgungen zur Regelversorgung festgelegt.

Indikationsklassen für den Zahnersatz mittels Implantaten

  • Indikationsklasse I – Einzelzahnersatz
    • Indikationsklasse Ia: Frontzähne
      • Wenn bis zu vier Zähne der Oberkiefer-Front fehlen, die Nachbarzähne nicht behandlungsbedürftig sind: 1 Implantat je fehlendem Zahn
      • Wenn bis zu vier Zähne der Unterkiefer-Front fehlen, die Nachbarzähne nicht behandlungsbedürftig sind: 1 Implantat soll zwei fehlende Zähne ersetzen.
    • Indikationsklasse Ib: Seitenzähne
      • Fehlen im Seitenzahnbereich Zähne aus der geschlossenen Zahnreihe, soll bei nicht behandlungsbedürftigen Nachbarzähnen jeder fehlende Zahn durch ein Implantat ersetzt werden.
  • Indikationsklasse II – Reduzierter Restzahnbestand
    • Indikationsklasse IIa: Lückengebiss
      • Für eine festsitzende Versorgung im Oberkiefer werden 8 Pfeiler benötigt, im Unterkiefer 6 Pfeiler. Natürliche Pfeilerzähne können angerechnet werden, wenn diese an statisch günstiger Position stehen und eine gute Prognose aufweisen.
      • Für eine herausnehmbare Versorgung im Oberkiefer werden 6 Pfeiler benötigt, im Unterkiefer 4 Pfeiler. Natürliche Pfeilerzähne können angerechnet werden, wenn diese an statisch günstiger Position stehen und eine gute Prognose aufweisen.
    • Indikationsklasse IIb: Freiendsituation
      • Zähne 6 bis 8 fehlen: Indikation für 1 – 2 Implantate
      • Zähne 5 bis 8 fehlen: Indikation für 2 – 3 Implantate
      • Zähne 4 bis 8 fehlen: Indikation für 3 Implantate
  • Indikationsklasse III – Zahnloser Kiefer
    • Indikationsklasse IIIa: Zahnloser Oberkiefer
      • Für die Verankerung eines festsitzenden Zahnersatzes im zahnlosen Oberkiefer: 8 Implantate
      • Für die Verankerung eines herausnehmbaren Zahnersatzes im zahnlosen Oberkiefer: 6 Implantate
    • Indikationsklasse IIIb: Zahnloser Unterkiefer
      • Für die Verankerung eines festsitzenden Zahnersatzes im zahnlosen Unterkiefer: 6 Implantate
      • Für die Verankerung eines herausnehmbaren Zahnersatzes im zahnlosen Unterkiefer: 4 Implantate

Abweichungen vom Goldstandard

Diese Indikationsklassen beschreiben die optimale Therapie mit Methoden, die sich in zwei Jahrzehnten etabliert haben. In der Einleitung der Konsensuskonferenz schreiben die Gesellschaften jedoch:

„Abweichungen von diesem Standard in den Implantatzahlen sind nicht per se falsch. Es gibt eine Vielzahl von Gründen, aus denen sich ein Patient eine höherwertigere implantatgetragene Versorgung nicht leisten will oder umgekehrt eine Pfeilervermehrung gegenüber der Standard­zahl medizinisch notwendig ist.“

Insbesondere gibt es abweichende Behandlungsformen und Versorgungskonzepte, welche Abweichungen der Implantatzahl, insbesondere um das vorhandene Knochenangebot vermehrende chirurgische Eingriffe zu vermeiden (z.B. kurze Implantate). Ein Beispiel für ein solches Konzept ist das All-on-four.

Bei dieser Versorgungsart wird ein Kiefer mithilfe von vier Implantaten festsitzend versorgt. Das wird dadurch ermöglicht, dass die Implantate miteinander verbunden (sekundär verblockt) werden und sich dadurch die einwirkenden Kräfte auf allen vorhandenen Implantaten gleichmäßig verteilt. In Studien konnten mit dieser Methode hervorragende Erfolge nachweisen, wenngleich der Goldstandard nicht erreicht ist. Da sich die Anzahl der Implantate bei dieser Methode jedoch im Vergleich zum Goldstandard signifikant reduziert (vergleiche Klasse III: sechs oder acht Implantate für die festsitzende Versorgung), lässt sich dadurch eine erhebliche Kosteneinsparung bei einem gering erhöhtem Risiko für Komplikationen erreichen.